Die 7 Zwerge

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Es waren einmal sieben Zwerge, die lebten hinter den sieben Bergen.
Tag für Tag suchten sie im Bergwerk nach Gold. Jeder der Zwerge war
rechtschaffen, fleißig und achtete den Anderen. Wenn einer von ihnen müde
wurde, so ruhte er sich aus, ohne dass die Anderen erzürnten. Wenn es einem
von ihnen an etwas mangelte, so gaben die Anderen bereitwillig und gerne.
abends, wenn das Tagewerk geschafft war, aßen sie einträchtig ihr Brot und
gingen zu Bett. Am siebten Tage jedoch ruhten sie.

Doch eines Tages meinte einer von ihnen, dass sie so recht nicht
wüssten, wie viel denn geschafft sei und begann, die Goldklumpen zu zählen,
die sie Tag für Tag aus dem Bergwerk schleppten. Und weil er so mit Zählen
beschäftigt war, schufteten die Anderen für ihn mit. Bald nahm ihn
seine neue Arbeit derart in Anspruch, dass er nur noch zählte und die Hacke
für immer beiseitelegte. Nach einer Zeit hob ein Murren an unter den
Freunden, die mit Argwohn auf das Treiben des Siebten schauten. Dieser
erschrak und verteidigte sich, das Zählen sei unerlässlich, so sie denn
wissen wollten, welche Leistung sie vollbracht hatten und begann, den
Anderen in allen Einzelheiten davon zu erzählen. Und weil er nicht erzählen
konnte, während die Anderen hackten und hämmerten, so legten sie alle ihre
Schaufeln beiseite und saßen am Tisch zusammen. So entstand das erste Meeting.
Die anderen Zwerge sahen das feine Papier und die Symbole, aber
schüttelten die Köpfe, weil sie es nicht verstanden.

Es dauerte nicht lange und der Controller (denn so nannte er sich
fortan!) forderte, die Zwerge, die da Tagein, Tagaus schufteten, mögen ihm
ihre Arbeit beweisen, in dem sie ihm Zeugnis auf Papier ablegten über die
Menge Goldes, die sie mit den Loren aus dem Berg holten. Und weil er nicht
verstehen konnte, warum die Menge schwankte, so berief er einen unter ihnen,
die Anderen zu führen, damit der Lohn recht gleichmäßig
ausfiele. Der Führer nannte sich Manager und legte seine Schaufel nieder.

Nach kurzer Zeit arbeiteten also nur noch Fünf von ihnen, allerdings
mit der Auflage, die Arbeit aller Sieben zu erbringen. Die Stimmung unter
den Zwergen sank, aber was sollten sie tun? Als der Manager von ihrem
Wehklagen hörte, dachte er lange und angestrengt nach und erfand die Teamarbeit.
So sollte jeder von ihnen gemäß seiner Talente nur einen Teil der Arbeit
erledigen und sich spezialisieren. Aber ach! Das Tagewerk wurde nicht
leichter und wenn einer von ihnen krank wurde, wussten die Anderen
weder ein noch aus, weil sie die Arbeit ihres Nächsten nicht kannten. So
entstand der Taylorismus.

Als der Manager sah, dass es schlecht bestellt war um seine Kollegen,
bestellte er einen unter ihnen zum Gruppenführer, damit er die Anderen
ermutigte. So musste der Manager nicht mehr sein warmes Kaminfeuer
verlassen. Leider legte auch der Gruppenführer, der nunmehr den Takt
angab, die Schaufel nieder und traf sich mit dem Manager öfter und öfter zu
Meetings. So arbeiteten nur noch Vier.

Die Stimmung sank und damit alsbald die Fördermenge des Goldes. Als
die Zwerge wütend an seine Bürotür traten, versprach der Manager Abhilfe
und organisierte eine kleine Fahrt mit dem Karren, damit sich die Zwerge
zerstreuten. Damit aber die Menge Goldes nicht nachließ, fand die
Fahrt am Wochenende statt. Und damit die Fahrt als Geschäftsreise abgesetzt
werden konnte, hielt der Manager einen langen Vortrag, den er in fremdartige
Worte kleideten, die er von einem anderen Manager gehört hatte, der andere
Zwerge in einer anderen Mine befehligten. So wurden die ersten Anglizismen verwendet.

Eines Tages kam er zum offenen Streit. Die Zwerge warfen ihre kleinen
Schaufeln hin und stampften mit ihren kleinen Füßen und ballten ihre
kleinen Fäuste. Der Manager erschrak und versprach den Zwergen, neue
Kollegen anzuwerben, die ihnen helfen sollten. Der Manager nannte das
Outsourcing. Also kamen neue Zwerge, die fremd waren und nicht recht
in die kleine Gemeinde passten. Und weil sie anders waren, musste auch für
diese ein neuer Führer her, der an den Manager berichtete. So arbeiteten
nur noch Drei von ihnen.

Weil jeder von ihnen auf eine andere Art andere Arbeit erledigte und
weil zwei verschiedene Gruppen von Arbeitern zwei verschiedene Abteilungen
nötig werden ließen, die sich untereinander nichts mehr schenkten, begann,
unter den strengen Augen des Controllers, bald ein reger Handel unter ihnen.
So wurden die Kostenstellen geboren. Jeder sah voller Misstrauen auf die
Leistungen des Anderen und hielt fest, was er besaß. So war ein
Knurren unter ihnen, dass stärker und stärker wurde.

Die zwei Zwerge, die noch arbeiteten, erbrachten ihr Tagewerk mehr schlecht
als recht. Als sich die Manager und der Controller ratlos zeigten,
beauftragten sie schließlich einen Unternehmensberater. Der strich ohne die
geringste Ahnung hochnäsig durch das Bergwerk und erklärte den verdutzten
Managern, die Gründe für die schlechte Leistung sei darin zu suchen, das die
letzten Beiden im Bergwerk verbliebenen Zwerge ihre Schaufeln falsch hielten.
Dann kassierte eine ganze Lore Gold und verschwand so schnell, wie er
erschienen war.

Während dessen stellte der Controller fest, dass die externen
Mitarbeiter mehr Kosten verursachten als Gewinn erbrachten und überdies die
Auslastung der internen Zwerge senkte. Schließlich entließ er sie. Der
Führer, der die externen Mitarbeiter geführt hatte, wurde zweiter Controller.
So arbeitete nur noch ein letzer Zwerg in den Minen. Tja, und der
lernte in seiner kargen Freizeit, die nur noch aus mühsam errungenen
abgebummelten Überstunden bestand, Schneewittchen kennen, die ganz in der Nähe der Mine
ihre Dienste anbot. Dann holte er sich bei ihr den Siff und verreckte
elendig. Die Firma ging pleite, die Manager und Gruppenführer und
Controller aber fanden sich mit großzügigen Summen gegenseitig ab und
verpissten sich, um der Anklage wegen Untreue zu entgehen, ins Ausland
und diese deprimierende, aber wahrheitsgetreue Mär ist aus.